Diese Themen beschäftigen drei Forschende auf der Weltklimakonferenz

Ein Max-Planck-Team verfolgt auf der COP29 die Debatten um den Fonds für Schäden und Verluste, Menschenrechte und Gesundheitsrisiken des Klimawandels

12. November 2024

Forschende verschiedener Max-Planck-Institute nehmen an der diesjährigen 29. UN-Klimakonferenz (COP29) in Baku als kritische Beobachter teil. Die Wirtschaftssoziologin Hannah Pool, der Umweltanwalt Bayar Dashpurev und der Sozial-Demograf Risto Conte Keivabu haben so die Gelegenheit, ihre wissenschaftliche Perspektive miteinzubringen. Pool konzentriert sich auf die klimabedingte Mobilität der Menschen, Dashpurev untersucht, inwiefern Rohstoffgewinnung und Klimaauswirkungen die Menschenrechte beeinträchtigen, und Conte Keivabu bewertet die Gesundheitsrisiken durch immer häufigere extreme Wetterereignisse. Im Interview äußern sie ihre Hoffnungen für die COP29. Zudem beleuchten sie kritische Themen wie den Ausgleich für Schäden und Verluste (Loss and Damages), die Finanzierung von Klimaanpassung und Klimaschutz und die dringende Notwendigkeit einer integrativen, wissenschaftlich fundierten Klimapolitik. Gemeinsam blicken sie aus einer wissenschaftlichen Perspektive auf die Themen, um die es in Baku geht.

Im vergangenen Jahr lag der Schwerpunkt vor allem auf den klimabedingten wirtschaftlichen Schäden und Verluste (Loss und Damage), insbesondere auf der Frage, wer die Kosten dafür tragen sollte. Wird die COP29 diese Diskussion fortsetzen? Worauf wird sich die diesjährige Konferenz aus Ihrer Sicht konzentrieren, insbesondere in Bezug auf Ihre Forschungsgebiete? 

Pool: Im vergangenen Jahr wurde, basierend auf jahrzehntelanger Forschung und dem Einsatz zivilgesellschaftlicher Organisationen, endlich der Fonds für Schäden und Verluste (Loss and Damages Fonds) beschlossen. Jetzt ist es entscheidend, dafür zu sorgen, dass dieser Fonds tatsächlich die Gruppen, Gemeinschaften und Länder erreicht, die am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. Im Idealfall ohne bürokratischen Hürden.

Mein Forschungsschwerpunkt liegt auf der klimabedingten menschlichen Mobilität. Deshalb hoffe ich, dass bei der COP29 das Thema nicht-ökonomischer Schäden und Verluste – beispielsweise die Auswirkungen des Klimawandels auf die Bindungen innerhalb von Gemeinschaften – eine große Rolle spielt, weil diese bisher weitgehend unberücksichtigt bleiben. Nur wenn auch diese Verluste berücksichtigt werden, lässt sich das volle Ausmaß des Klimawandels erfassen.

Dashpurev: Ich denke auch, dass Schäden und Verluste im Mittelpunkt der COP-Diskussionen stehen werden, und in diesem Jahr ist dies eng mit Green Finance verbunden. Es gibt auch andere wichtige Themen, die in den Vordergrund rücken, wie Menschenrechte, Rohstoffgewinnung und Umweltaktivismus.

Für mich ist die COP29 eine Gelegenheit zu untersuchen, wie sich Menschenrechte, Klimaauswirkungen und Bergbau überschneiden. Ich arbeite eng mit Vertretern zivilgesellschaftlicher Gruppen, der Bergbauindustrie und politischen Vertretern von Ländern zusammen, deren Wirtschaft von der Rohstoffgewinnung abhängt. Gleichzeitig sind sie aber auch am stärksten vom Klimawandel betroffen. Diese Zusammenarbeit bereichert meine Forschung und trägt dazu bei, die Stimmen und Perspektiven derjenigen sichtbar zu machen, die mit den Herausforderungen des Klimawandels leben. 

Conte Keivabu: In der Diskussion über Verluste und Schäden wird der Schwerpunkt zunehmend auf den gesundheitlichen Folgen liegen. Extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen, Überschwemmungen und Waldbrände stellen ernsthafte Gesundheitsrisiken dar, die zu erhöhten Sterberaten, einem Anstieg von Krankheiten, die von Tieren übertragen werden, Atemwegs- und psychischen Problemen führen. Diese gesundheitlichen Auswirkungen tragen sowohl zu wirtschaftlichen als auch zu nichtwirtschaftlichen Verlusten bei und treffen besonders vulnerable Gemeinschaften unverhältnismäßig stark. Steigende Kosten für die Gesundheitsversorgung und Produktivitätsverluste sowie Todesfälle und eine Verschlechterung des Wohlbefindens sind nur einige Beispiele.

Ich halte es für entscheidend, dass in den Diskussionen über Schäden und Verluste Gesundheitsmaßnahmen einbezogen werden, wobei die Unterstützung vulnerabler Personen, wie ältere Menschen, Menschen mit Vorerkrankungen und finanziell schwachen Gemeinden, Vorrang haben sollte. Eine Finanzierung, die diese gesundheitlichen Schwachstellen berücksichtigt, könnte wesentlich effektiver sein.

Die Ergebnisse der COP sind nicht rechtlich nicht bindend – lohnt es sich trotzdem, die Konferenz abzuhalten? Oder anders gefragt: Was kann die COP aus Ihrer Sicht erreichen?

Pool: Globale Diskussionen über den Klimawandel sind wichtig, verlieren jedoch an Glaubwürdigkeit, wenn sie nicht zu konkreten Maßnahmen führen. Im Fall des Fonds für Schäden und Verluste brauchen wir klare Verpflichtungen. Dazu gehört auch festzulegen, wer Beiträge leistet und wie diese Mittel verteilt werden.

Dashpurev: Nicht alle rechtlich bindenden Vereinbarungen garantieren Ergebnisse – oft kommt es auf echtes Engagement an. Nehmen wir die Initiative „Eine Milliarde Bäume“ der Mongolei: Seit 2021 haben wir 84 Millionen Bäume gepflanzt, um zur Anpassung an den Klimawandel und zur Eindämmung beizutragen. Global gesehen, mag das nicht nach viel aussehen, aber Bemühungen wie diese können auf regionaler Ebene zum Handeln anregen und sogar größere CO2-Emittenten wie China und Russland beeinflussen. Statt die Wirkung der COP infrage zu stellen, sollten wir verschiedene Wege erwägen, um die Herausforderungen zu bewältigen.

Conte Keivabu: Auch wenn die Beschlüsse der COP nicht rechtsverbindlich sind, spielt die Konferenz eine große Rolle bei der Festlegung globaler Ziele für die Eindämmung des Klimawandels und die Anpassung an ihn. Sie erinnert jedes Jahr an die Dringlichkeit von Klimaschutzmaßnahmen. Natürlich gibt es immer noch Spielraum, um die Weltklimakonferenz wirkungsvoller zu gestalten, aber sie ist nach wie vor eine wichtige Plattform. Ich würde sagen, dass wir mit der COP weitaus besser aufgestellt sind als ohne sie – sie ist eines der wenigen Foren, wo die Weltgemeinschaft den Klimawandel direkt adressiert. 

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sitzen bei der COP nicht am Verhandlungstisch und treffen auch keine Entscheidungen, sondern beobachten hauptsächlich. Warum ist es dennoch wichtig, dass Sie dort sind?

Pool: Als Beobachter dokumentieren wir die Veranstaltung und tragen hoffentlich zu einer höheren Rechenschaftspflicht bei. Wir bringen auch unsere eigene Forschungskompetenz ein. Auf einer übergeordneten Ebene untersuchen wir, wie Regierungen die Rolle wissenschaftlicher Fakten über das Klima verhandeln. Als Wirtschaftssoziologin konzentriere ich mich darauf, wie Vereinbarungen und kollektive Entscheidungen getroffen werden. Außerdem beobachte ich wie wissenschaftliche Erkenntnisse in den Entscheidungsprozess integriert werden. Auch deshalb ist es für mich und meine Forschung sehr wertvoll, diesen Prozess auf der COP hautnah zu erleben.

Die Anwesenheit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist außerdem wichtig, weil sie der akademischen Gemeinschaft Zugang dazu verschafft, wie Wissenschaft in Verhandlungen einbezogen wird. Das bedeutet, dass die Ergebnisse wissenschaftlich ausgewertet werden können, was wiederum zur Rechenschaftspflicht beiträgt.

Dashpurev: Beobachten ist auch eine Möglichkeit, sich zu engagieren. Bei der COP geht es nicht nur darum, die Diskussionen zu verfolgen, sondern den Diskurs unmittelbar zu erleben. Dieses Hin und Her ist für die globalen Klimaverhandlungen von entscheidender Bedeutung, und deshalb brauchen wir Stimmen von allen Seiten, um das globale Ausmaß der Krise wirklich widerzuspiegeln.

Ich glaube, wir können den Klimawandel nicht angehen, ohne unterschiedliche Perspektiven zuzulassen. Auf der COP29 ist „Solidarität bei der grünen Transformation“ ein zentrales Thema, und diese Solidarität ist entscheidend. Nur wenn wir im Raum sind, können wir dazu beitragen, das Gespräch auf eine Ebene zu bringen, die bei den Millionen Menschen, die täglich vom Klimawandel betroffen sind, Anklang findet.

Conte Keivabu: Für mich geht es bei der COP29 darum, die Kernfragen zu verstehen, die für die politischen Entscheiderinnen und Entscheider im Vordergrund stehen. Oft gibt es einen Unterschied zwischen dem, worauf sich die Forschung konzentriert, und dem, was die Politik gerade braucht. Vor Ort zu sein hilft, diese Lücke zu schließen.

Durch Beobachtung und Beteiligung an diesen Diskussionen kann ich die wichtigsten Herausforderungen und Forschungslücken ermitteln. So kann ich meine Forschungsarbeit auf die tatsächlichen Bedürfnisse abstimmen und sicherstellen, dass sie für politische Entscheidungen nützlich ist und zur Gestaltung wirksamer Lösungen beitragen kann. 

Und zu guter Letzt: Wenn Sie sich ein Ergebnis wünschen könnten, wie würde es aussehen?

Pool: Bei meiner Forschung habe ich die Folgen des Klimawandels erlebt, sei es durch Interviews mit Menschen, die im Ahrtal und in Erftstadt leben, oder durch die Anpassungsstrategien von Ländern wie Fidschi und Kenia.

Ich hoffe, dass das Thema Bewohnbarkeit fester in die Klimaverhandlungen integriert wird. Unser Verständnis der klimabedingten menschlichen Mobilität – sei es in Form von Migration, Vertreibung, Standortverlagerung von Unternehmen oder Immobilität – wird oft vernachlässigt oder erst dann thematisiert, wenn Krisen eintreten. Ich wünsche mir einen proaktiveren, wissenschaftlich fundierten Ansatz, der die Menschenrechte in den Mittelpunkt rückt und Ansätze zur klimabedingten Mobilität entwickelt, die die Würde der Betroffenen wahren.

Dashpurev: Wie viele andere auch wünsche ich mir von der COP29 klare, konkrete Ergebnisse. Aber über die Ergebnisse hinaus hoffe ich, dass der schwierige Prozess erkennbar wird, in dem die Konferenz einen Konsens sucht und Teilnehmende ihre unterschiedlichen sozialen und politischen Perspektiven einbringen. Solche Verhandlungen sind ein anspruchsvoller, demokratischer Prozess, der anstrengend ist. Diese Bemühungen verdienen Anerkennung. Für mich geht es nicht nur um eine abschließende Liste von Ergebnissen. 

Conte Keivabu:  Meine Arbeit konzentriert sich darauf, wie sich der Klimawandel auf die Gesundheit auswirkt, insbesondere durch Luftverschmutzung und extreme Hitze, die die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen betreffen. Maßnahmen zur Verringerung der Luftverschmutzung haben beispielsweise die größten Auswirkungen auf Menschen mit gesundheitlichen Problemen oder einem niedrigeren sozioökonomischen Status. Mein Wunsch für die COP29 sind starke Verpflichtungen zur Reduktion von Treibhausgasen und Schadstoffen aus Quellen wie Kohlekraftwerken. Diese Reduzierungen könnten den Klimawandel verlangsamen und gleichzeitig Leben retten und gesundheitliche Ungleichheiten weltweit verringern. 

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