Philipp Genschel
Joint Chair in European Public Policy, Robert Schuman Centre for Advanced Studies, Europäisches Hochschulinstitut, Florenz | Wissenschaftlicher Mitarbeiter am MPIfG von 1989 bis 2002
Mein Vater kannte einen, der kannte Fritz W. Scharpf. So kam ich im Herbst 1989 als Doktorand an das MPIfG (zu den Details vgl. Granovetter 1973). Ich habe dann bei Renate Mayntz über die „Standardisierung in der Informationstechnik“ promoviert und mit einer von Fritz W. Scharpf betreuten Arbeit zu „Steuerwettbewerb und Steuerharmonisierung in Europa“ an der Universität Konstanz habilitiert. 2001 war ich reif für den Arbeitsmarkt.
Die Stellensuche gestaltete sich weniger kompliziert als gedacht: sofort zwei Rufe an die Universität Greifswald und an die neu gegründete International University (jetzt Jacobs University) in Bremen. Greifswald bot alle Regalien einer deutschen Universitätsprofessur. Aber Bremen erschien mir interessanter. Die Gründungsfakultät war hervorragend, einschließlich eines ziemlich intelligenten jungen Soziologen, der aber leider nicht lange blieb, Jens Beckert. Die Studierenden kamen zum großen Teil aus Osteuropa und waren wirklich große Klasse! Die Arbeit mit ihnen war enorm bereichernd. Zudem hatte ich die Möglichkeit, in den neuen von Stephan Leibfried und Michael Zürn an der Universität Bremen geleiteten Sonderforschungsbereich „Staatlichkeit im Wandel“ einzusteigen. Daraus sind mehr oder minder direkt die drei Forschungsthemen hervorgegangen, dich mich bis heute beschäftigen: die globalen Entwicklungslinien des Steuerstaates, die europäische Integration staatlicher Kerngewalten (Geld, Gewalt, Verwaltung) sowie die Logik indirekten Regierens (Delegation und „Orchestrierung“).
Mit der Jacobs University ging es erst auf und dann ab. Ein zentrales Problem der Privatuniversitäten in Deutschland ist ihre starke Abhängigkeit von einem einzelnen Hauptgeldgeber. Bleibt dieser bei der Stange, bestehen schöne Entwicklungsmöglichkeiten, siehe Hertie School of Governance in Berlin. Schränkt der Geldgeber sein Engagement dagegen ein, dann werden auch Professoren entlassen, wie bei Jacobs 2014. Es war mein Glück, dass ich zum damaligen Zeitpunkt schon auf verschlungenen Pfaden verbeamtet worden war. Außerdem hatte ich einen Ruf nach Florenz. Professor in Florenz zu sein ist eindeutig der drittbeste Job der Welt (nach Papst und SPD-Vorsitz). Ein Traum.
»Am Institut habe ich gelernt, wie man Sozialwissenschaft eigentlich macht.«
Ohne das MPIfG hätte ich es nie bis hierher geschafft. Am Institut habe ich gelernt, wie man Sozialwissenschaft eigentlich macht. Der prägende Einfluss von Renate Mayntz und vor allem von Fritz Scharpf ist kaum zu unterschätzen. Die Neigung, mir die Welt in 2x2-Tabellen zu erklären, habe ich von ihm. Auch von den anderen Kolleginnen und Kollegen habe ich sehr profitiert. Roland Czada, Edgar Grande, Hans-Willy Hohn, Uwe Schimank, Volker Schneider et al. haben mir vieles in der Teeküche erklärt, was ich andernfalls lange hätte lesen müssen. Ohne die Unterstützung von Raymund Werle wäre meine Doktorarbeit nie fertig geworden. Susanne Schmidt und Philip Manow haben mich angetrieben, weil sie mit ihren Dissertationen irgendwie immer weiter waren als ich. Geholfen hat auch die fürsorgliche Nachsicht von Anne Baumanns und Jürgen Lautwein in der Verwaltung, die freundliche Zuvorkommenheit von Susanne Hilbring und Elke Bürger in der Bibliothek und Ernst Brauns eiserne gute Laune. Zudem, nicht zu unterschätzen, habe ich von materieller Unterstützung profitiert. So hat mir das Institut beispielsweise drei Auslandsaufenthalte in Stanford, Florenz und Chicago ermöglicht und mein CV dadurch wesentlich aufgehübscht. Schließlich, von einem MPI zu kommen weckt bei Außenstehenden schnell einen Kompetenzverdacht, der die tatsächlich vorhandenen Fähigkeiten womöglich weit übersteigt. Gerade für meine Erstberufung war das hilfreich.
Auch heute bin ich noch regelmäßig mit dem MPIfG in Kontakt. Jedes Jahr organisieren das MPIfG und das EUI gemeinsam mit den US-amerikanischen Universitäten Northwestern und Columbia sowie Sciences Po in Paris eine Sommerschule für Doktoranden der politischen Ökonomie und der Wirtschaftssoziologie – nächstes Jahr in Florenz. Das sind immer sehr schöne Veranstaltungen. Die Vorträge der MPI-Doktoranden sind dabei in der Regel nicht die schlechtesten.