Kinder kauft man nicht. Konfliktfeld Auslandsadoptionen: Marktcharakteristiken fehlen
Christian Tribowski
Auslandsadoptionen sind für viele Kinderlose die einzige Möglichkeit, ihren Traum von einer Familie zu realisieren. Doch bringt die Entscheidung, den Kinderwunsch auf diese Weise zu erfüllen, Probleme mit sich. Adoptionen von Kindern aus ärmeren Teilen der Welt gelten hierzulande in weiten Kreisen als zweifelhaft – vor allem, weil dabei Geld fließt und Gebühren bezahlt werden. Wie viel – das hängt vom Herkunftsland des Kindes ab. Je nach Land müssen Dokumente, Urkunden und Bescheinigungen beschafft werden. „Agenturen prüfen die Adoptionsbewerber auf ihre Eignung und bereiten sie auf den bevorstehenden Prozess vor“, erklärt Tribowski die gängige Praxis.
Hinzu kommen außerdem Gerichtskosten sowie Reise- und Aufenthaltskosten im Herkunftsland des Kindes. Unterm Strich müssen angehende Adoptiveltern für das ganze Prozedere inklusive Reise und Aufenthalt im Herkunftsland des Kindes zwischen 10.000 und 15.000 Euro aufbringen. „Für manche erscheinen Auslandsadoptionen dann als ein Markt, auf dem mit Geld Kinder gekauft werden könnten“, so Tribowski. Verfestigt habe sich diese Wahrnehmung durch Kinderhandelsskandale, die in der Vergangenheit im Rahmen von Auslandsadoptionen Schlagzeilen machten.
Kinder sind keine Ware
Der emotionale Wunsch, eine Familie zu schaffen, aber für die Adoption Geld zu bezahlen, bringt deshalb viele Bewerber in eine Zwickmühle, hat er in vielen Gesprächen mit Adoptiveltern beobachtet. Es handelt sich um einen jener Grenzbereiche, in denen ökonomisches Handeln als Tabu betrachtet wird, und von denen es in modernen Gesellschaften einige gibt. Wie er dabei auch herausgefunden hat, gelingt es den meisten, die beiden Sphären der Familie und des Geldes zu integrieren, wenn die Umstände und Hintergründe umfassend geklärt sind. „Viele forschen intensiv nach, ob alles rechtmäßig zugeht und den gesetzlichen Regeln entspricht, und ob das Kind freiwillig abgegeben wurde“, sagt der Soziologe.
Letztlich erweist sich das Geld bei allen Beteiligten als ein zentrales Thema – nicht nur bei Adoptiveltern, sondern auch in Behörden und Adoptionsagenturen. „Denn da bei solchen Adoptionen auch Geld fließt, besteht das Risiko, dass das Kind zur Ware wird und ein Handel mit Kindern entsteht“, so Tribowski. „In diesem Zusammenhang ist es den Adoptiveltern vor allen Dingen wichtig, dass sich niemand an den Zahlungen bereichert. Die Adoptionsgesetzgebung sieht deshalb vor, dass Geld nicht direkt für das Kind, sondern nur für Dienstleistungen wie die Eignungsprüfungen der Adoptionsbewerber und das Verwaltungsfahren bezahlt wird“, erklärt er die Rechtslage.
»Da bei solchen Adoptionen auch Geld fließt, besteht das Risiko, dass das Kind zur Ware wird und ein Handel mit Kindern entsteht.«
Von den Rahmenbedingungen her befinden sich die Adoptionswilligen hierzulande auf der sicheren Seite, wenn sie sich an eine der 14 staatlich anerkannten und kontrollierten Adoptionsvermittlungsstellen in freier Trägerschaft oder an das jeweilige Landesjugendamt wenden. Die Vermittlungsstellen der freien Träger, die Zulassungen für unterschiedliche Länder haben, begleiten die Adoptionsbewerber bei den Verfahren im Ausland, die – je nach Herkunftsland – mehr oder weniger reibungslos und rechtmäßig ablaufen. „In Staaten mit einer schlechten bürokratischen Infrastruktur, fehlender staatlicher Kontrolle und besonders großer Armut können illegale oder grenzwertige Praktiken vorkommen“, sagt der Soziologe.
Klassische Marktcharakteristiken fehlen
Zwar ist in Deutschland wie auch den anderen Unterzeichnerstaaten des Haager Adoptionsübereinkommens, das 1993 als Maßnahme gegen Kinderhandel beschlossen wurde, das Prozedere einer Auslandsadoption fest geregelt. Doch gehören nicht alle großen Herkunftsländer zu den inzwischen rund 90 Unterzeichnerstaaten. „Äthiopien ist so ein Beispiel“, so Tribowski. Kernpunkt der Vereinbarung ist, dass internationale Adoptionen ausschließlich zum Wohle des Kindes stattfinden. Dazu gehört auch, dass erst, wenn für das Kind im eigenen Land keine geeignete Pflegefamilie oder Adoptiveltern gefunden werden können, eine Auslandsadoption in Betracht gezogen werden kann. „Außerdem gibt es Regeln, wie das Geld verwendet werden darf“, sagt Tribowski. So sind die Vermittlungsagenturen zur Kostentransparenz und Gemeinnützigkeit verpflichtet. „Das heißt, dass sie alle Zahlungen und deren Verwendung Bewerbern und Behörden offenlegen müssen“, erklärt er. Darüber hinaus müssen sie als gemeinnützige Vereine anfallende Gewinne der Vereinsarbeit zugutekommen lassen. Damit ist sichergestellt, dass bei ihrer Arbeit nicht der Profit im Vordergrund steht, sondern das Kindswohl. „Von einem Adoptionsmarkt kann so gesehen nicht die Rede sein“, stellt er fest.
Auch fehlt ein weiteres Charakteristikum freier Marktwirtschaft: die Wahlfreiheit von Marktakteuren, sich aus einem Angebot zu bedienen. Das Kind kann man sich nicht selbst aussuchen, sondern bekommt nach eingehender Prüfung durch Sozialarbeiter, Behörden und Jugendämter eines zugewiesen. „Eine Adoption ist kein Selbstbedienungsladen, sondern Experten wählen Kinder und neue Eltern aus“, so Tribowski. Wer ein Kind bekomme, sei keine Frage der Kaufkraft. „Wichtiger ist, ob jemand dem Kind – das häufig auch eines mit besonderen Bedürfnissen sei – ein gutes, stabiles Zuhause bieten kann.“
Transparenz, klare Regelungen und die Abwesenheit von Formen ökonomischen Handelns erweisen sich in diesem Fall als Weg aus dem Familienschach. „Die meisten sind beruhigt, wenn sie merken, dass das nicht so wie auf dem Markt läuft.“