Warum wir an die Zukunft glauben
Jürgen Kaube, Frankfurter Allgemeine Zeitung, „Der Sonntagsökonom“ | Jens Beckert
Jürgen Kaube diskutiert auf der Grundlage von Jens Beckerts Aufsatz „What Makes an Imagined Future Credible?“ (MPIfG Discussion Paper 24/5) die Bedeutung von Zukunftsvorhersagen. Für den MPIfG-Direktor sind Aussagen über die Zukunft eigentlich Geschichten, denn es gibt keine „zukünftigen Fakten“. Diese Erzählungen, die oft als wirtschaftliche und politische Prognosen daherkommen, erscheinen glaubwürdig, wenn sie von anerkannten Experten stammen, in sich schlüssig sind und allgemein akzeptiert werden. Deren Reputation und persönliches Engagement tragen zur Glaubwürdigkeit bei. Darüber hinaus spielen soziale und psychologische Faktoren wie Bildung und gesellschaftliche Normen eine Rolle. Beckert zitiert John Maynard Keynes’ Konzept der „Liquiditätspräferenz“, um zu verdeutlichen, wie Unternehmen bei düsteren Aussichten in wirtschaftliche Passivität verfallen, es sei denn, staatliche Investitionen oder die „animal spirits“ optimistischer Unternehmer beleben den Markt. Auch die Politik bediene sich solcher „Zukunftserzählungen“, um Wähler zu überzeugen, was in enttäuschten Gesellschaften wie Argentinien zur Unterstützung extremer Kandidaten führe. Beckert regt schließlich eine interdisziplinäre Forschung an, in der Ökonomen die Geisteswissenschaften nutzen, um das Verständnis für die Entstehung und Wirkung von Zukunftsvisionen zu vertiefen.
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