Befristete Arbeitsverträge sind weit verbreitet – trotz annähernder Vollbeschäftigung
Annina T. Hering
Standpunkt

In Zeiten, in denen die Arbeitslosenquote in Deutschland nur noch knapp 5 Prozent beträgt und Vollbeschäftigung mittlerweile greifbar erscheint, sollte man annehmen, dass auch die Beschäftigungsverhältnisse sicherer und langfristiger werden. Doch insbesondere junge Menschen starten häufig nur mit Arbeitsverhältnissen auf Zeit ins Berufsleben: Wer den ersten oder zweiten Job nach Ausbildung oder Studium antritt, landet oft in einem befristeten Vertrag.
»Insbesondere junge Menschen sind von Befristung betroffen.«
Zu den Faktoren Niedriglohn, Teilzeitbeschäftigung, Zeitarbeit, geringfügige und unregelmäßige Beschäftigung, die ebenfalls zur Unsicherheit im Erwerbsleben beitragen, tritt die befristete Beschäftigung: Laut den aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zum Jahr 2017 sind 8,3 Prozent der abhängig Beschäftigten ab 25 Jahren befristet beschäftigt. Nach Altersgruppen differenziert fällt auf, dass gerade junge Erwachsene hiervon betroffen sind: 17,5 Prozent der 25- bis 34-Jährigen haben einen befristeten Arbeitsvertrag. Damit fällt dieser Unsicherheitsfaktor genau in den Lebensabschnitt, in dem Paare über eine Familiengründung oder Familienerweiterung entscheiden.
Auch in der Wissenschaft sind befristete Verträge für den wissenschaftlichen Mittelbau die Regel und nicht die Ausnahme. In der Wissenschaft wie in der Privatwirtschaft können junge Menschen nur auf eine Entfristung beim aktuellen Arbeitgeber hoffen oder auf die Suche nach einer neuen Beschäftigung mit unbefristetem Vertrag gehen. Die gute Nachricht ist hier: Die Zahl der Übernahmen aus befristeter Beschäftigung hat nach Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) einen Höchststand erreicht. Die schlechte Nachricht: Diese Zahlen legen die Schlussfolgerung nahe, dass Befristung häufig als eine Art verlängerte Probezeit genutzt wird – gerade in den ersten Jahren nach dem Berufseinstieg. Das IAB zeigt, dass der Anteil der befristeten Arbeitsverträge bei sozialversicherungspflichtigen Neueinstellungen seit zehn Jahren über 40 Prozent liegt. Bei den 25- bis 39-Jährigen war sogar jede zweite Neueinstellung nur befristet.
»Die Befristung wird häufig als verlängerte Probezeit genutzt.«
Eine Analyse der Stellenanzeigen der Jobseite Indeed für Anfang November 2018 ergab: 38,9 Prozent der Stellenanzeigen mit Befristung wecken bei Bewerbern die Hoffnung, dass ihre Stelle entfristet werden kann. Dabei ist die Formulierung, dass es sich „zunächst“ um eine befristete Beschäftigung handelt, am weitesten verbreitet. Es wird aber oft auch bereits in der Stellenbeschreibung konkret darauf hingewiesen, dass eine Entfristung angedacht ist.
Trotz sinkender Arbeitslosenzahlen in Deutschland und der zunehmenden Klage vieler Betriebe, keine geeigneten Arbeitskräfte zu finden, besteht damit gerade für junge Erwachsene in der Familiengründungsphase eine hohe Unsicherheit im Erwerbsleben. In meinem Buch „Kinder – oder nicht? Geburten in Deutschland im Spannungsfeld unsicherer Partnerschaften und prekärer Beschäftigung“ zeige ich, dass Paare aufgrund dieser Unsicherheit die Entscheidung für das erste oder zweite Kind aufschieben und unter Umständen ganz von ihrem Kinderwunsch Abstand nehmen. Unsichere Beschäftigungsverhältnisse können auch in Zeiten guter wirtschaftlicher Gesamtlagen die Entscheidung für eine Familie negativ beeinflussen.